Dienstag, 9. Dezember 2008

Ein kleiner Junge sehnt sich nach seinem Vater

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1. INNEN – WOHNUNG HILDEGARD, WOHNZIMMER – TAG

Möbel im Stil der 60-er und 70-er Jahre, brauner Glastisch, abgewetzte Cord-Sofagarnitur. Der Raum wirkt gespenstisch eng. HILDEGARD BERKOWSKI (HILDE) trägt einen Hosenanzug mit rot-orangefarbenen Mustern. Ihre Haare sind mittellang, schwarz gefärbt, toupiert. Sie übt mit ihrem Sohn WOLFGANG BERKOWSKI (8) am Wohnzimmertisch Lesen. Wolfgang trägt eine Brille. Schulhefte sind auf dem Tisch ausgebreitet. Hilde sitzt neben ihrem Sohn, der aus einem "Max und Moritz-Buch" liest. Eine Katze SCHNURRT auf dem Sessel.

WOLFGANG
„Es zog der wilde... (stockt) Jä... Ja-e-ke...“

HILDE
„... Jägersmann“.

WOLFGANG
„Jägers... mann ... sein gras... gras-grünes...“

HILDE
„Grün“. „Grasgrün“. Da steht nicht „grasgrünes“, da steht „grasgrün“.

WOLFGANG
„Grasgrün neues Rö...Rö...“

Hilde wird ungeduldig.

HILDE
Hör auf! Ich lese es dir noch mal vor. „Es zog der wilde Jägersmann sein grasgrün neues Röcklein an, nahm Ranzen, Pulverhorn und Flint` und lief hinaus ins Feld geschwind.“ Ist das so schwer? Hilde starrt gebannt auf das Buch. Wolfgang starrt auch auf das Buch, verängstigt.

HILDE
Was ist?

WOLFGANG
„Es zog der wilde Jä-Jägers-mann sein grasgrünes.“

HILDE
(schreit)
„Grün!“ „Grasgrün!“ steht da! Noch mal!

WOLFGANG
„Es zog der wilde Jägers-mann sein grasgrün neu-es Rö-Röcklen-lein an, nahm Rrra-n-z...“

HILDE
„Ranzen“!

WOLFGANG
„... Ranzen, Pulv...“

HILDE
Von Anfang an! Dummes Kind!

Hilde nimmt einen Kochlöffel von einem Regal. Wolfgang starrt auf das Buch.

WOLFGANG
„Es zog der wilde Jägers-mann sein grasgrün neu-es Rö-Röck-lein an, nahm Rrra-n-zen, Pulv-...“
Hilde schlägt mit dem Kochlöffel auf Wolfgangs Schulter. Wolfgang zuckt nur kurz.

HILDE
„Pulverfass“! Nochmal! Von vorne!

Wolfgang starrt auf das Buch, eine Träne fließt.

HILDE
Ich warte!

Hilde schlägt mit dem Kochlöffel auf Wolfgang, der zuckt, schützt sich kurz mit den Händen. Die Katze flüchtet erschreckt aus dem Zimmer.

HILDE
Du sollst lesen!

Hilde schlägt immer unkontrollierter, hält ihn dabei fest. Wolfgangs Brille fällt zu Boden, genau vor Hildes Füße. Wolfgang SCHLUCHZT.

HILDE
Du sollst lesen! Du dummes Kind!
Wolfgang schafft es, aus dem Wohnzimmer zu flüchten. Hilde will ihm zuerst hinterher rennen, bleibt aber sitzen.

HILDE
Dein Vater ist auch immer abgehauen.
(voller Hass)
Du bist wie dein Vater!

Hilde entdeckt die Brille und tritt voller Zorn drauf. Einen Moment später fängt Hilde an zu heulen, verzweifelt...




2. INNEN – WOHNUNG HILDEGARD, KINDERZIMMER – TAG

Eisenbahnschienen, eine Carrera-Bahn, Regale mit Comics. Kinderschreibtischwand mit Schulsachen und Stiften... Poster und Bilder an der Wand. Wolfgang liegt SCHLUCHZEND im Bett. Unter seiner Bettdecke hält er ein Diktiergerät dicht ans Ohr. Wir hören RAUSCHEN, STADTGERÄUSCHE und SPRACHFETZEN eines Mannes und eines Kindes.



ABBLENDE



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Status Quo - und ein erster dunkler Schatten

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3. AUßEN – GARTEN, HAUS MIRA/WOLFGANG – TAG


(INSERT: 27 JAHRE SPÄTER)


WOLFGANG BERKOWSKI (als 35-jähriger Mann), Drei-Tage-Bart, dichte, schulterlange Haare, schlank, Jeans, Rollkragenpulli und Brille, hockt scheinbar schlafend vor einem Nussbaum. Wolfgang reißt die Augen auf, atmet tief durch, fasst sich an die Brille. Er versucht mit einem verkrampften Lachen den Tag-Albtraum von eben abzuschütteln, steht auf, fixiert eine Gartenlaube.

MIRA BRANDT (28), mit Jeanslatzhose für Schwangere, - sie ist im 8. Monat, - und roten, hochgesteckten Haaren steht unvermittelt vor Wolfgang. Sie ist aufgeregt, glücklich.

MIRA
Na Du Träumer!

WOLFGANG
Mira,... Ich...

MIRA
Pst!

Sie küssen sich.

WOLFGANG
(flüstert in ihr Ohr)
Mira, Du bist das Beste, was mir je in meinem Leben passiert ist.

MIRA
Dann halt es fest!

Sie halten sich eng umschlungen. Wolfgang schließt die Augen, streichelt ihren schwangeren Bauch. Mira lächelt hinter seinem Rücken, plötzlich wird ihre Miene ernst, sie sieht etwas... Wolfgang spürt das.

MIRA sieht einen MANN auf der Veranda, Mitte fünfzig, gut aussehend, dichtes graues Haar. Sein Gesicht ist sonnengebräunt und zeigt die Souveränität eines wohlhabenden Geschäftsmannes. Mit Mühe schleppt er massive Holzgartenmöbel auf die Veranda.

MIRA (O.S.)
Das ist lieb von Dir, aber lass sie einfach stehen, Papa!

ALBERT BRANDT lächelt, doch sein Gesicht wird schnell nachdenklich, bitter. Hinter dem großen Veranda-Fenster... eine gespensterhafte Silhouette,... eine elegante, ernst blickende Frau.





4. AUßEN – GARTEN VOR LAUBE – TAG

Mira und Wolfgang vor der Laube. Wolfgang will die Tür aufmachen, aber die Tür ist verschlossen.

WOLFGANG
Zu. Schade.

Mira probiert einen Schlüssel von ihrem Schlüsselbund, der passt nicht. Sie schauen durchs Fenster in die Laube rein.

MIRA
Was machen wir damit?

Sie grinsen sich vertraut an, wägen ironisch ab.

WOLFGANG
Sauna?

MIRA
Teehaus?

Mira und Wolfgang blicken durchs Laubenfenster: Die Laube ist voller Spinnweben und mit Regalen, Flaschen, Holzbrettern, Werkzeug, Rasenmäher zugerümpelt,... außerdem ein großes Deko-Netz...

WOLFGANG
Sauna mit Teetisch?

MIRA
Teehaus mit Kamin?

WOLFGANG
Teehaus mit Kamin.

Beide lächeln sich verliebt an.

MIRA
Hast Du schon mal einen Kamin gebaut?

Wolfgang überlegt kurz - und ernst.

WOLFGANG
Ja.

MIRA
Lügner.

Mira schmunzelt.



5. INNEN – HAUS MIRA/WOLFGANG, HAUSFLUR – TAG

Im Hausflur stapeln sich die sauberen Kartons, ein Tapeziertisch ist aufgebaut, darunter stehen Farbeimer und Werkzeugkisten. ZWEI UMZUGSHELFER tragen Kartons in den Flur.

ELIZABETH BRANDT, 48, eine Frau mit schulterlangen, rotblond gefärbten Haaren, Brille, - die Frau am Veranda-Fenster - beobachtet mit Argusaugen wie UMZUGSHELFER Kartons hereintragen. Ihr entgeht nichts, sie ist der heimliche Chef. Ihr kurzer Rock und ihre braunen Nylons lassen sie vornehm, geschäftsmännisch und ziemlich sexy für ihr Alter wirken. Sie sieht wie ein UMZUGSHELFER die frisch geweißte Wand mit einem Karton berührt.

ELIZABETH
Vorsicht!

Der Umzugshelfer bleibt stehen. Elizabeth prüft argwöhnisch die Stelle an der Wand.

ELIZABETH
Stellen Sie sie hier ab!

Sie zeigt zu einer freien Stelle im Flur. Elizabeth überprüft kurz den Inhalt des Kartons. Sie sieht ordentlich zusammengelegte, edle Frauenkleidung, fasst den Stoff an, fühlt, lächelt. Hinter ihrem Rücken trägt ein anderer Umzugshelfer einen alten Bananenkarton herein.

UMZUGSHELFER #2
Wohin?

Elizabeth sieht den Karton, ihre Miene wird ernst.

ELIZABETH
Warten Sie!

Der Umzugshelfer steht mit dem Bananenkarton im Flur, schaut sich staunend die großzügigen Platzverhältnisse an, sieht auf den dreckigen Bananenkarton, als Elizabeth auf eine Zimmertür deutet.

ELIZABETH
Stellen Sie das alles da rein.

Der Umzugshelfer geht an Elizabeth vorbei, stellt den Karton in das angewiesene Zimmer, auf dessen Tür ein Zettel mit der Aufschrift "ARBEITSZIMMER WOLFGANG" klebt. Er geht wieder.

EIN HANDY KLINGELT AUS DEM ZIMMER HERAUS. Elizabeth horcht.



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Kontraste - und ein teuflischer Plan

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6. AUßEN – STRAßE VOR HAUS MIRA/WOLFGANG – TAG

Ein neuer Kombi, in dem ein Babysitz auf der Rückbank montiert ist... Ein Umzugs-Lkw parkt vor dem Haus. ZWEI UMZUGSHELFER hieven eine Kommode von der Laderampe. Gleichzeitig zieht ein DRITTER UMZUGSHELFER Umzugskartons von der hinteren Ladefläche nach vorne. Auf der Ladefläche stehen zahlreiche Umzugskartons, sauber und ordentlich gestapelt.

Im scharfen Kontrast dazu stehen in einer Ecke vergilbte, zerfledderte und x-mal beschriftete Kartons und Bananenkisten. Außerdem: ein auffälliger, fleckiger Lederkoffer und eine große Glasplatte mit zwei Metallböcken, das zusammen einen Tisch ergibt. Einer der Metallböcke ist stark verbogen.




7. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - TAG

Das Handy KLINGELT.

Elizabeth sieht den gammeligen Bananenkarton und eine Notebook-Tasche. Sonst ist nichts in dem Zimmer.

Elizabeth vergewissert sich alleine zu sein. Sie nähert sich neugierig und angewidert dem Karton, hebt den Deckel hoch und sieht als erstes eine Mappe mit dem Etikett einer Klinik. Sie blättert durch die Mappe. Es ist eine Krankenmappe, die dokumentiert, dass Wolfgang für mehrere Wochen wegen Alkoholismus klinisch betreut wurde. Elizabeth grinst abfällig, legt die Mappe wieder rein, macht den Deckel wieder zu, reibt sich instinktiv die Hände an ihrem Rock sauber.

Elizabeth nimmt das KLINGELNDE HANDY, liest auf dem Display „WILLI". Sie sieht durch das Fenster Wolfgang und Mira, die vor der Laube diskutieren. Elizabeths Blick ist kalt und missbilligend. Das Klingeln verstummt.

Elizabeth prüft die Nummer des Anrufers „WILLI". Dann prüft sie das Handy-Verzeichnis „EINGEHENDE ANRUFE" und sieht zehn Mal die gleiche Nummer von „WILLI".

Ihr Blick fällt zur Notebooktasche. Elizabeth holt ein Notebook aus der Tasche. Auf dem Notebook klebt ein PostIt-Zettel mit der Notiz "DEADLINE VERLAG ÜBERMORGEN". Elizabeth prüft das Datum auf ihrer Uhr, ihr Blick ist dabei eiskalt, sie hebt das Notebook hoch und lässt es fallen.


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Das neue Leben - Misstrauen, Hindernisse und ein Scherbenhaufen

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8. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, KÜCHE, WOHNZIMMER - TAG


ETWAS SPÄTER.



Die Küche wirkt edel, ist mit modernen Einbauschränken und einer freistehende Arbeitstheke ausgestattet. Überall stehen Kartons. Die Küche führt zu einem angrenzenden Ess- und Wohnzimmer.

Elizabeth öffnet im Wohnzimmer eine Champagner-Flasche,...


PLOP!


... schaut besorgt zu Mira, die gerade von draußen kommt. Mira schleppt einen Karton, stellt ihn SCHEPPERND auf die Arbeitsplatte, schnauft erschöpft.

ELIZABETH
Kindchen. Weißt du wo Gläser sind?

MIRA
Nein. Ja.

Mira deutet auf einen Karton in der Küche, dann hält sie ihren Bauch. Albert steht unvermittelt hinter ihr.

ALBERT
(säuselt lächelnd)
In welchem, mein Schatz?

Mira erschrickt kurz, lächelt dann aber zu ihrem Vater, deutet spontan zu einem Karton.

MIRA
Guck mal in der!

Albert öffnet den Karton, sieht zerknäultes Zeitungspapier, nimmt ein Zeitungsknäuel, wickelt ein Glas aus dem Zeitungspapier, prüft das Glas gegen das Licht.

Elizabeth nähert sich mit der Champagner-Flasche der Theke, bleibt aber neugierig vor einem Regal stehen, schaut erstaunt...

ALBERT
Weißt du schon, wo das Kinderzimmer sein wird?

MIRA
Nein. Ich... das entscheiden wir spontan.

Albert LACHT. Elizabeth bestaunt eine Flasche alten Whiskey im Regal.

ELIZABETH
(zu Mira)
Exquisiter Geschmack.
(zu Albert)
Oder?

Mira schaut zu ihrer Mutter, dann zu ihrem Vater. Sie beginnt etwas in einer Handtasche zu suchen.

ELIZABETH
Schön, wenn man sich so was leisten kann.

Mira rollt die Augen.

MIRA
Mama!

ALBERT
Schatz, ich...

MIRA
Ja? Was kommt jetzt?

Mira sucht weiter in ihrer Handtasche.

ALBERT
Mutter und ich haben uns etwas überlegt...

Albert lächelt vielsagend, wickelt drei Gläser aus dem Zeitungspapier, stellt sie auf die Theke. Elizabeth schenkt Champagner ein, nimmt sofort ein Glas, hält es hoch, trinkt.

ELIZABETH
Auf uns.

MIRA
(zu Vater)
Was?

Albert schaut ernst, reicht Mira ein Glas Schampus. Auch Elizabeth schaut sehr ernst.

ALBERT
Wo ist Wolfgang denn?

ELIZABETH
Kindchen, es geht hier um viel Geld, wer weiß, ob ihr auch in drei, vier Jahren noch zusammen seid. Es ist zu deiner Sicherheit.

MIRA
Mama, nenn mich nicht "Kindchen".

Elizabeth reicht Albert ein Schriftstück, er legt es sorgfältig auf die Theke. Mira hört auf zu suchen.

ALBERT
Schatz, Mutter hat Recht. Es ist nur eine Formalität.

ELIZABETH
Was suchst du eigentlich die ganze Zeit, Kindchen? Das macht mich total nervös.

MIRA
Den Schlüssel für die Laube!

Mira sieht das Deckblatt des Schriftstückes.

Wir lesen: „EHEVERTRAG".

Mira schaut überrascht zu Elizabeth und zu Albert. Elizabeth grinst, hält einen Schlüssel hoch.



(TO BE CONT'D)




9. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, ARBEITSZIMMER, HAUSFLUR - TAG

Wolfgangs Arbeitszimmer ist jetzt voll gestellt mit den gammeligen Kartons. In einer Ecke steht der Lederkoffer. Die Glasplatte liegt schief auf den beiden Metallböcken. Wolfgangs Handy und eine glasgerahmte Fotografie von ihm und Mira stehen auf der Glasplatte.

An der Wand hängt ein Kalender. Der übermorgige Tag ist fett und rot eingekringelt und beschriftet: DEADLINE VERLAG.

Unter dem Kalender lehnt die Notebooktasche an der Wand. Wolfgang kniet unter der Glasplatte und versucht den verbogenen Metallbock provisorisch zu reparieren.

Das Handy KLINGELT.

Wolfgang versucht unter dem Tisch das Handy zu greifen, stößt sich den Kopf. Er krabbelt unter dem Tisch hervor, schnappt das Handy, sieht eine Nachricht von "WILLI", hört die Mailbox ab.

STIMME WILLI MAILBOX
Melde Dich, Junior, ich habe Neuigkeiten für Dich. Gute Neuigkeiten. Also melde Dich, am besten sofort!

Wolfgang fasst sich an die Brille, seufzt, steckt das Handy ein, dreht sich um und geht zur Tür...

Hinter seinem Rücken knickt der reparierte Metallbock unter der Last der Glasplatte allmählich wieder ein. Wolfgang bemerkt das nicht. Glasplatte und Foto beginnen zu rutschen...

... Wolfgang geht ein paar Meter in den Hausflur, hört GEDÄMPFTE STIMMEN, bleibt stehen und lauscht.

MIRA (O.S.)
Das soll ich unterschreiben?

ELIZABETH (O.S.)
Du UND dein zukünftiger Mann.

ALBERT (O.S.)
Schatz, das ist ein ganz normaler Vertrag zwischen Eheleuten. Wir haben auch einen Ehevertrag gemacht. Sieh es mal so, eine Ehe ist wie eine Wette, in der man viel gewinnen, aber auch viel verlieren kann. Und bei dieser Wette kannst nur Du verlieren.

ELIZABETH (O.S.)
Was wolltest Du eigentlich in der Laube?



(TO BE CONT'D)



10. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, KÜCHE, WOHNZIMMER - TAG

Mira mustert ihren Vater durchdringend und stirnrunzelnd.

MIRA
Unsinn! Habt ihr nicht.

Mira nimmt den Lauben-Schlüssel von Elizabeth. Die schaut süffisant zu Mira. Albert schaut angespannt zu Mira.

ALBERT
Okay, haben wir nicht. Du hast Recht. Aber die Zeiten sind anders, mein Schatz.

Elizabeth unterbricht das Gespräch ungeduldig.

ELIZABETH
Kindchen, ihr unterschreibt beide den Vertrag, Ende der Diskussion!




11. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, ARBEITSZIMMER, HAUSFLUR - TAG

ELIZABETH (O.S.)
So und jetzt hätte ich gerne einen Drink. Frag mal Wolfgang, ob er auch einen will. Wo ist er denn eigentlich?

Wolfgang lauscht, schüttelt amüsiert den Kopf, geht zurück, sieht, dass die Glasplatte gleich auf den Boden kracht. Er stürzt sich auf die Glasplatte, hält die Platte, bevor sie auf den Boden kracht. Wolfgang verletzt sich dabei am Kopf (Platzwunde), blutet, beißt aber die Zähne zusammen.

WOLFGANG
Fuck!

Das gerahmte Foto (Mira und Wolfgang) KRACHT AUF DEN BODEN, DAS GLAS ZERSPRINGT. Glasscherben bleiben vor der Notebook-Tasche liegen.




ABBLENDE





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Die nächste Störung des Paradieses

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12. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, SCHLAFZIMMER - NACHT

Im Schlafzimmer stehen provisorisch Kartons mit Kleidung, Taschen und Koffer herum. Ein Kleiderschrank lehnt unmontiert an der Wand, - und ein großes Ölgemälde, das skizzenhaft Wolfgang und Mira darstellt.

Im Bett. Wolfgang (Pflaster am Kopf) streichelt Mira zärtlich über den Kopf, streichelt ihren schwangeren Bauch unter dem Nachthemd. Mira genießt die Berührung.

WOLFGANG
Müde?

Mira schaut nachdenklich zu einem großen Spiegel, beobachtet das Spiegelbild. Wolfgang und Mira sind ein hübsches Paar.

MIRA
Eltern können manchmal ganz schön unfair sein.

Wolfgang lächelt zustimmend.

WOLFGANG
Was ist passiert?

Mira schweigt.

MIRA
Meine Mutter will, dass wir einen Heiratsvertrag machen.

WOLFGANG
Und? Wo ist das Problem? Dann machen wir einen Heiratsvertrag. Ganz einfach. Deine Mutter muss irgendwann mit mir klar kommen. Und das wird sie. Und irgendwann wird sie mich auch mögen.

Wolfgang schaut ernst, er schmiegt sein Ohr an Miras Bauch.

WOLFGANG
Hallo Kleiner. Hörst Du mich? Mama und Papa freuen sich schon ganz doll auf Dich.

Mira lächelt verliebt, Wolfgang streichelt weiter.

WOLFGANG
(Melodie von „Lalilu" summend.)



Aus der Wohnung KLINGELT DUMPF Wolfgangs Handy. Wolfgangs Gesicht wird ernst und nachdenklich...


... HANDDISPLAY: "WILLI"





13. INNEN - VORSTADTVILLA BRANDT, WOHNZIMMER - NACHT


Durch das Fenster: gepflegter Garten. Neue Sportwagen, Vans und Geländewagen parken auf der Straße. Das Wohnzimmer zieren geschmackvolle Designer-Möbel. Kunst hängt an den Wänden.

Elizabeth recherchiert im Internet nach der Telefonnummer, die sie auf Wolfgangs Handy entdeckt hat. Ein Zettel mit der Nummer liegt auf dem Tisch. Die Nummer gehört zu „SECURITAS SONEMANN". Geschäftsführer der Firma: WILLI SONEMANN; spezialisiert auf Objektbewachungen und Personensuche.

Elizabeth kippt staunend einen Drink hinunter, schreibt den Namen auf. Sie öffnet ein neues Browserfenster und bestellt online eine Kiste Whiskey. Elizabeths Blick ist dabei kühl und berechnend. Sie schaut kurz auf ihre Uhr, wählt eine Nummer. Auf ihrem Handydisplay erscheint "SUSOK (VERLAG)". Susoks Mailbox springt an.

SUSOKS STIMME HANDY
Verlag Gabriele Susok. Bitte hinterlassen Sie ihren Namen und ihre Telefonnummer. Ich rufe Sie zurück. Danke und auf Wiederhören.


PIEP!


ELIZABETH
Gabi, ruf mich an, pronto!

Albert steht heimlich am Türrahmen, beobachtet sie. Elizabeth mustert den Zettel mit Willis Nummer.



ABBLENDE



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Das alte Leben geht zuende

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14. AUSSEN - VOR KAUFHAUS - MORGEN

Ein schwarzer Van mit einem Magnet-Schild "SECURITAS SONEMANN" steht vor einem Hintereingang. Zwei Männer verstauen Geldkoffer im Van.

Der Fahrer, EIN MANN ANFANG 50 mit mittellangen, silbrigen Locken, beobachtet auf einem Videoüberwachungsmonitor den Vorgang. Per Tastendruck bewegt er die Videokamera.

Sein Handy klingelt, er schaut aufs Display: UNBEKANNTER ANRUFER.




15. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, MIRAS ARBEITSZIMMER - MORGEN

Wir sehen einen Kalender an der Wand. Heute ist der 18.10.2009.


JEMAND SCHIEBT KARTONS AUF DEM BODEN,... STÖHNEN, VERSCHNAUFEN.


Im Zimmer steht ein Dia-Leuchttisch, Software-Verpackungen, Bilder-Versandrollen, riesige Präsentationsmappen, alles typische Grafiker-Utensilien. Mira baut eine Computeranlage auf. Sie ÄCHZT. Als sie einen großen Profi-Monitor aus dem Karton hieven will, bricht sie ab. Sie hält sich den Bauch.

Mira verzieht ihr Gesicht, lässt sich auf den Hintern gleiten, streichelt ihren Bauch. Dabei sieht sie einerseits glücklich, andererseits wehmütig zu einer Auszeichnung an der Wand.


AUSZEICHNUNG "BESTE ART-DIRECTION"; 1. PREIS FÜR DIE BESTE KAMPAGNE; KUNDE: TRESOR-FIRMA „ABC-TRESORE GMBH".



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Eine Deadline ist keine Verhandlungssache

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16. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOHNZIMMER - MORGEN

Wolfgang (Pflaster am Kopf) liest den Heiratsvertrag. Er raucht eine Zigarette, hört ein KLAPPERNDES GERÄUSCH.

WOLFGANG
(ohne sich umzudrehen)
Mira, der Vertrag ist doch okay. Mira steht mit einer Tasse Tee an der Tür, schlürft, schaut etwas besorgt zu Wolfgang.

MIRA
Okay. Hatten wir nicht gesagt, dass Du nur noch im Arbeitszimmer rauchst?

Wolfgang saugt noch einmal an der Zigarette, dann quetscht er sie im Aschenbecher aus.

WOLFGANG
Ja, sorry.

MIRA
Wir müssen uns um das Kinderzimmer kümmern.

WOLFGANG
Ich weiß.

Mira streichelt unbewusst ihren Bauch.

MIRA
Wann ist bei Dir noch mal Deadline?

WOLFGANG
Morgen.

MIRA
Gut. Und?

WOLFGANG
Fertig. Nur noch ein paar Kleinigkeiten.

MIRA
Gut. Wenn Du's morgen weggeschickt hast, gehen wir ein paar Sachen besorgen. Hier, ich habe ein Liste gemacht.

Mira gibt Wolfgang eine Liste. Wolfgang liest die Liste.


WICKELUNTERLAGE, TÜCHER, BODIES, SCHLAFWIEGE, LETZTER GEBURTSVORBEREITUNGSTERMIN


Wolfgangs schaut kurz grinsend zu Mira.

WOLFGANG
Wann ist der Termin?

MIRA
Donnerstag Abend.

Wolfgangs Handy KLINGELT. Er sieht kurz auf das Display,...

... „VERLAG (SUSOK)"...

... RÄUSPERT sich, nimmt ab,...

WOLFGANG
Berkowski.
(leise zu Mira)
Die Susok,... Verlag.

... hört zu. Grinst zu Mira, als wolle er sagen: „Siehst du, es läuft!".



(TO BE CONT'D)




17. INNEN - VERLASGSBÜRO, SUSOK - MORGEN

GABRIELE SUSOK, 38 JAHRE, Lesebrille, lange, braune Haare mit grauen Strähnen, sitzt vor einem Computer, schaut prüfend auf den Monitor, telefoniert gleichzeitig.

Eine junge Frau, TAMALI SUSOK, 16, Praktikantin, steht im Hintergrund und spannt neues Papier in ein Flip-Board ein. Tamali beginnt mit einem blauen Filzstift Namen und Striche auf den Bogen zu malen. Susok beobachtet das scharf aus den Augenwinkeln.

SUSOK
Der Verlag hat sich entschieden, schneller in Produktion zu gehen, wir brauchen das Manuskript also heute. Ich weiß, Deadline ist erst morgen, aber wir wollen es heute, ist das ein Problem? ... Schicken Sie's einfach heute noch `raus! ... Genau so wie es ist. Die Lektorin wartet. ... Was meinen Sie um wieviel Uhr es kommt? Nur damit ich der Lektorin Bescheid sagen kann. ... Je eher, desto besser.
(extrem gereizt zu Tamali)
Das kannste gleich noch mal machen, Herzchen. Und nimm, um Gottes Willen, eine andere Farbe!

Tamali schaut Susok giftig an.



(TO BE CONT'D)




18. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOHNZIMMER - MORGEN

Wolfgang hört nervös zu. Mira beobachtet ihn, fragt stumm mit dem Kopf, was los ist.

WOLFGANG
Das wird... ich... Frau Susok, es gibt ein... Ich... (...) Nein, nein, ... hören Sie kurz zu, Ich... wir ... wir ziehen um... das heißt, wir sind gerade...



(TO BE CONT'D)




19. INNEN - VERLASGSBÜRO, SUSOK - MORGEN

Tamali spannt neues Papier in das Flip-Board. Sie malt mit einem roten Filzstift Namen, Uhrzeiten und Striche.

SUSOK
Der Verlag will es aber heute!
(zu Praktikantin)
Nicht mit Rot! Das ist zu aggressiv. Nimm "Blau"!
(zu Wolfgang)
Ich entscheide so was nicht alleine, verstehen Sie?

Tamali reißt in aller Seelenruhe das rot beschriftete Papier vom Flip-Board, schaut zu Susok, rollt die Augen.

SUSOK
... ich, (...) Jetzt hören Sie mir zu! Ich will das Manuskript heute haben, sonst lösen wir Ihren Vertrag auf! Habe ich mich verständlich ausgedrückt? (...) Ach ja, ich soll Ihnen ausrichten, dass wir in Zukunft nicht mehr mit Ihnen planen.

Susok legt auf, ist kurz verdutzt über ihre Aggressivität, sieht gereizt zu Tamali am Flip-Board.

TAMALI
Mutti, was war das denn? Das war absolut nicht angebracht. Warum tust Du das?

SUSOK
Nenn' mich nicht „Mutti"!




20. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG; WOHNZIMMER - MORGEN

Wolfgang ist nervös, versucht sich zu kontrollieren, ignoriert, dass Susok aufgelegt hat. Er simuliert das Gespräch weiter, nickt verständnisvoll,...

Mira beobachtet ihn mit der Teetasse in der Hand.

WOLFGANG
Ja, also Abgabe "Morgen". Dann ändert sich ja nicht viel. (...) Ja, sieht gut aus. (...) Danke, Ihnen auch.

Wolfgang legt auf. Freut sich, fasst sich kurz an die Brille.

WOLFGANG
Deadline bleibt bei "Morgen". Und sie hat was neues angekündigt. Etwas überraschendes.

MIRA
Und schaffst Du das?

WOLFGANG
Ja klar. Kein Problem. Es sind nur noch Kleinigkeiten.

Mira mustert intensiv Wolfgang, lächelt dann erleichtert.

MIRA
Gut. Wollen wir kurz planen wie's heute und die nächsten Tage weitergeht? - Also Morgen, wenn Du abgegeben hast, fahren wir los und besorgen die Sachen auf der Liste. Du musst mir auch sagen, ob wir die Susok zur Hochzeit einladen sollen. Die Einladungen müssen zum Drucker. Ja oder nein?

Wolfgang lächelt, aber es schwebt etwas Verzweifeltes in seinem Lächeln.




21. INNEN - VILLA BRANDT, ELIZABETHS ARBEITSZIMMER - VORMITTAG

Elizabeth hat den Hörer am Ohr, schenkt sich einen Whiskey ein.

ELIZABETH
Hast Du ihn rausgeschmissen, Gabi? (...) Wieso nicht? Das ist nicht schwer, schmeiß ihn einfach raus! (...) Dann schreibt das Buch jemand anders fertig! (...) Das ist mir egal. Der Laden gehört mir, ich kann machen, was ich will. Und dieser Typ muss raus! (...) Glaub ich nicht, dass er das Buch heute noch schickt.

Elizabeth knallt den Hörer wütend auf, grinst hämisch, diabolisch...



22. INNEN - VERLASGSBÜRO, SUSOK - MORGEN

Susok hält den Hörer am Ohr, schaut irritiert, legt ganz langsam auf.

SUSOK
Die spinnt. Was glaubt die eigentlich, wer ich bin.





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Die Uhr tickt - gegen Wolfgang

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23. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLF.S ARBEITSZIMMER - VORMITTAG

Im Arbeitszimmer stehen noch provisorisch überall Kartons. In einer Ecke steht der Lederkoffer.

Ein voller Aschenbecher und das Notebook stehen auf der Glasplatte. Eine Zigarette glimmt im Aschenbecher. Das Notebook bootet. Neben dem Notebook liegt ein Ausdruck mit Korrekturen plus Verlagsadresse und Telefonnummer. Wolfgang (Pflaster am Kopf) streicht auf dem Wandkalender die alte DEADLINE-MARKIERUNG durch und macht einen Kreis um den heutigen Tag.

WOLFGANG
Die spinnt. Was glaubt die eigentlich, wer ich bin.

Das gerahmte Foto von Wolfgang und Mira steht - mit zersprungenem Glas - auf dem Tisch. Wolfgang blättert durch die Korrekturen, schaut auf seine Uhr. Eine Zigarette hängt aus dem Mundwinkel, er sieht nervös zum Notebook, das nicht startet. Wolfgang SEUFZT nervös, ruft den Verlag an. Freizeichen,...

KLACK!...

Jemand nimmt ab.

WOLFGANG
Ich bin's noch mal, können wir noch mal in Ruhe reden, vorhin war es ein bisschen... Frau Susok? (...) Tschuldigung, ich..., (...) Ist denn Frau Susok auch... (...) Zu Mittag? Gut. Dann... Können Sie ihr ausrichten, dass... oder können Sie ihr sagen, dass ich es gleich schicke? (...) Sie weiß dann Bescheid. (...) Ja. Danke.

Wolfgang legt auf. Das Notebook bootet, startet aber nicht. Wolfgang sieht zu dem Lederkoffer, wieder zum Notebook. Der Monitor flimmert.



24. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, MIRAS ARBEITSZIMMER - VORMITTAG

Miras Arbeitszimmer ist eingerichtet. Mira arbeitet in einem Layout-Programm an den Hochzeitskarten. Auf einer Gästeliste taucht der Name "GABRIELE SUSOK" auf.



25. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLF.S ARBEITSZIMMER - VORMITTAG

Wolfgang bewegt den Notebook-Bildschirm vor und zurück.

WOLFGANG
Fuck die Henne! Komm schon! Fuckding!

Wir hören WOLFGANGS HANDY. Wolfgang prüft das Display, - „WILLI", - er nimmt ab.

WOLFGANG
Ja! Berkowski!

STIMME HANDY
Junior, na endlich. Weißt Du, was heute für ein Tag ist?

Wolfgang hört irritiert zu, beobachtet besorgt sein Notebook. Mit einem ELEKTRONISCHEN SURREN erlischt der Bildschirm. Wolfgang hebt alarmiert die Augenbraue,...

WOLFGANG
Ich ruf Dich gleich zurück!

... legt auf. SCHWARZ.



SCHWARZBLENDE





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Vaters Geheimnis und sein Problem (unfinished business)

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26. INNEN - GEFÄNGNISZELLE - VORMITTAG

MANFRED BERKOWSKI (58), trägt Brille, Jeans, Jeanshemd und einen markanten Oberlippenbart, der an den Mundwinkeln herunter wächst. Eine Zigarette klemmt zwischen den Lippen.

Auffallend ist die Ähnlichkeit mit Wolfgang und ein kleines Strichcode-Tattoo am Unterarm. Manfred packt nervös Sachen in eine Tasche. Ein Aufseher steht an der Tür.

AUFSEHER
Das mit Ihrem Vater tut mir leid.

Manfred dreht sich zu dem Aufseher, schaut ihn kurz erstaunt an, rückt unbewusst die Brille gerade,...

... der Aufseher LACHT HÖHNISCH...

... Manfred packt weiter ein. Ganz unten in die Tasche vergräbt er ein altes, vergilbtes Ringbuch.

Dann fixiert Manfred ein Foto, das an die Wand gepinnt ist. Das Foto zeigt ein Hafenviertel, Boote, Jachten, einen alten Kutter, der zu einem Hausboot umgebaut ist.




27. AUßEN - STRAßE VOR DEM STRAFVOLLZUGSGEBÄUDE - VORMITTAG

Manfred geht durch das Gefängnistor. Er steckt sich eine Zigarette an, inhaliert genüsslich. Vorsichtig schaut er sich um, dann geht er ein paar Meter weiter zu einem Taxistand. Ein einziges Taxi wartet.

Kurz bevor Manfred das Taxi erreicht, steigt EIN MANN aus dem Taxi. Der Mann ist Mitte fünfzig, raucht Zigarre, trägt einen Mantel. Der Mann mustert Manfred.

MANN
Hallo Berkowskie! Willkommen in der Freiheit!

Manfred fixiert den Mann kurz, macht dann auf dem Absatz kehrt, doch als er sich umdreht, steht EIN JUNGER, KRÄFTIGER MANN, kahlgeschoren, bedrohlich vor ihm.

MANFRED
Hallo Zacharias.

Manfred glotzt in das Gesicht des Kahlgeschorenen, dreht sich dann zu dem Mann, HOLGER ZACHARIAS, um.

ZACHARIAS
Kaum in der Freiheit, schon wieder gefangen.

Ohne Vorwarnung schlägt Zacharias Manfred in den Magen. Manfred krümmt sich, JAPPST. Der Komplize schaut mit unbewegter Miene zu.

ZACHARIAS
Ich stelle die Frage nur einmal, wo ist das Geld?

MANFRED
Keine Ahnung, was du meinst. Du hast deinen Anteil bekommen. Wir sind quitt.

Zacharias macht eine Kopfbewegung, der Komplize boxt Manfred blitzschnell ins Gesicht. Manfred hat keine Zeit sich zu schützen, blutet stark aus einer Platzwunde am Kopf und aus der Nase. Zacharias klappt ein Rasiermesser auf, hält es Manfred vors Gesicht. Der Komplize hält Manfred fest.

ZACHARIAS
Ich will meinen richtigen Anteil!

Zacharias berührt mit dem Rasiermesser Manfreds Hals, geht mit dem Rasiermesser zum Ohr, zieht das Ohr lang.

ZACHARIAS
Na, kommt die Erinnerung wieder?

MANFRED
Allmählich.

ZACHARIAS
Allmählich?! Na immerhin! Berkowski, Du hast genau drei Tage Zeit. Ist das bei Dir angekommen?

Manfred macht eine verächtlich zustimmende Geste.

ZACHARIAS
Gut.

Zacharias nimmt das Rasiermesser vom Ohr weg, geht mit dem Komplizen Richtung Taxi. Manfred reibt sich den Hals.

MANFRED
Wieviel waren das noch mal?

Zacharias bleibt abrupt stehen, schaut Manfred mit todernster Miene an. Dann PRUSTET ER VOR LACHEN und steigt in das Taxi ein, fährt los.

Manfred schaut mit gequältem Gesichtsausdruck zum Gefängnis hoch, reibt sich den Hals, an dem eine rote Rille und ein Blutstropfen zu sehen ist. Dabei sehen wir das Strichcode-Tattoo am Unterarm, UND eine Zahlenkombination - 6844542.

Etwas weiter in einer Seitenstraße sitzt WILLI SONEMANN, mit Fotoapparat und Kopfhörern in einem Van. Es ist der Van von der "SECURITAS SONEMANN". Nur das Magnetschild "SECURITAS SONEMANN" fehlt. Willi beobachtet die Situation.



28. AUßEN/INNEN - SEITENSTRAßE VOR GEFÄNGNIS, IM VAN - VORMITTAG

Willi nimmt die Kopfhörer ab. Sein Gesicht ist ausdruckslos, berechnend.

WILLI
(ruhige, klare, sonore Stimme)
„Kaum in der Freiheit und schon wieder gefangen." - Der war gut.



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Wolfgang windet sich und gräbt sich dabei immer tiefer ein

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29. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLF.S ARBEITSZIMMER - VORMITTAG

Der Lederkoffer steht neben dem Glastisch.

WOLFGANG (O.S.)
Hallo Frau Susok, gut, dass ich Sie erreiche. Ich muss Ihnen,... ich muss Ihnen etwas gestehen. Ich habe ein kleines technisches...

Unter der Glasplatte stehen statt des defekten Metallbockes provisorisch Kartons. Das Notebook steht auf der Glasplatte, der Bildschirm ist schwarz. Daneben der Korrektur-Ausdruck.

Wolfgang hält den Hörer mit dem Kinn ans Ohr, gleichzeitig öffnet er hektisch Kisten, Schachteln und Schubladen, vergewissert sich kurz des Inhaltes. Er findet eine Box mit CDs.

WOLFGANG
... wie soll ich sagen, technisches... "Problem" wäre übertrieben.

Auf den CDs steht „BACKUP" und ein Datum. Wolfgang wühlt durch die Backup-CDs, findet nicht, was er sucht.

WOLFGANG
Fuck!

Wolfgang reibt sich frustriert und verzweifelt die Schläfe, nimmt den Hörer in die Hand, übt ein Gespräch, ohne zu wählen.

WOLFGANG
Guten Tag, Frau Susok, ich muss Ihnen,... ich muss Ihnen etwas gestehen. Ich.
(hält abrupt inne, fängt neu an.)
Frau Susok, gut, dass ich Sie jetzt noch erwische. Ich habe ein...
(hält abrupt inne, fängt neu an.)
Hallo Frau Susok. Wie geht's Ihnen? Das Buch ist... Ich... Fuck!

Wolfgang schließt die Augen, wählt die Nummer des Verlages. Nach dreimal Klingeln legt er auf, wählt aber noch einmal. Wolfgang starrt dabei auf den Lederkoffer, öffnet ihn. Es sind Bücher, Ordner und Klamotten drin.

Ganz oben liegt ein Brillenetui. Er nimmt das Brillenetui aus dem Koffer, holt eine Kinderbrille aus dem Etui. Die Gläser sind zersprungen.

FLASH! Es ist die Brille, die seine Mutter vor Jahrzehnten kaputt getreten hat.

KLACK! Jemand nimmt ab. Wolfgang starrt die Kinderbrille an.



ABBLENDE



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Wolfgangs Mutter

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30. INNEN - HAUS HILDEGARD, WOHNZIMMER, KÜCHE - MORGEN


Hildegard hat immer noch die gleichen Möbel im Wohnzimmer stehen: Brauner Glastisch, abgewetzte Cord-Sofagarnitur. Das MORGENRADIO DUDELT,... das SUMMENDE GERÄUSCH EINES ELEKTRISCHEN RÜHRSTABES...



KÜCHE



HILDEGARD BERKOWSKI (heute 58 Jahre) quirlt mit einem elektrischen Stabmixer Bananenmilch. Hildegard hat immer noch schwarz gefärbte und toupierte Haare, ihr Gesicht ist alt, verbittert, auffällig geschminkt, - wie eine Maske.

Es KLINGELT an der Tür. Hildegard horcht auf.




31. AUßEN - VOR HAUS HILDEGARD - MORGEN

Spießiger Vorgarten zwischen weißer Reihenhaussiedlung. Zwischen Blumenbeeten und Sträuchern stehen Katzenfiguren aus Ton.

Aus dem Briefkastenschlitz ist ein Umschlag zu sehen. Die Haustür geht auf, Hildegard blickt vorsichtig aus der Tür, sieht noch den BRIEFTRÄGER auf dem Fahrrad, sieht den Umschlag im Briefkasten.




32. INNEN - HAUS HILDEGARD, KÜCHE - MORGEN

Hildegard untersucht den Umschlag, findet keinen Absender, fühlt nach dem Inhalt, öffnet den Umschlag, - und zieht das vergilbte Notizbuch von Manfred heraus.

Hildegard blättert durch das Notizbuch, scheint es zu erkennen. Sie findet in dem Buch zwei zusammengefaltete, amtliche Dokumente (NACHLASSLISTE UND ERBSCHEIN VON GROßVATER OTTO BERKOWSKI!). Aus dem Erbschein geht hervor, daß Manfred Berkowski das Hausboot seines Vaters erbt. Und das Foto aus der Gefängniszelle. Der Kutter auf dem Foto ist umkringelt. Der Kutter heißt „OTTO 2", liegt am Hafen, Kielnummer 89.

Hildegard schwitzt, kippt einen Drink runter. Sie liest auf einem Zettel:



BITTE GIB DAS ALLES WOLFGANG. SAG IHM, DAß ICH MICH MIT IHM TREFFEN WILL. LEIDER KENNE ICH SEINE ADRESSE NICHT. BITTE SPRICH MIT NIEMANDEM DARÜBER. MB



Hildegard legt den Zettel, die Nachlassliste, den Erbschein und das Foto neben das Ringbuch auf den Tisch und starrt beides an wie Gegenstände von einem anderen Planeten. Sie kratzt sich alarmiert am Kopf.



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Wolfgangs letzte Chance... zerrinnt

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33. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - MORGEN

Das Notebook steht auf der Glasplatte, der Bildschirm ist schwarz. Daneben der Korrektur-Ausdruck. Wolfgang nimmt aus dem Lederkoffer ein Bündel Briefe und Fotos heraus. Ganz unten befinden sich zerfledderte, vergilbte Bücher, ein Diktiergerät und eine braune Lederjacke.

Auf einem Foto ist Wolfgang (als Kind), sein Vater (erkennbar als der Mann vor dem Gefängnis) und ein etwa gleich alter Mann, der sehr auffällige, längere, wellige, silbergraue Haare trägt (erkennbar als Willi Sonemann) zu sehen.

Auf einem anderen Foto sind Willi, Zacharias (erkennbar als der Mann, der Manfred vor dem Gefängnis mit dem Rasiermesser bedroht hat) und Manfred in feinen Anzügen zu sehen. Zacharias raucht Zigarre. Auf dem Foto scheinen die drei Männer gute Freunde zu sein. Auf der Rückseite des Fotos steht eine Telefonnummer.

Wolfgang nimmt ein anderes Foto, betrachtet es intensiv. Es ist ein Foto, das ihn (Wolfgang als Jungen mit Brille) zusammen mit seinem Vater zeigt...



34A. MONTAGE (FLASHBACK)

Wolfgang als 10-Jähriger, und Manfred, Mitte dreißig, auffällige, braune Lederjacke (die Jacke aus dem Karton!), markanter Oberlippenbart, gehen durch eine Fussgängerzone. Sie bleiben vor Schaufenster stehen, diskutieren über die Auslage.

Manfred hat ein Diktiergerät dabei, spricht sporadisch hinein. Er reicht das Diktiergerät Wolfgang. Wolfgang und Manfred kaufen sich ein Eis. Wolfgang spricht in das Diktiergerät, kommentiert das Eis-Kaufen. Wolfgang und Manfred stehen vor einem Sportwarenladen und betrachten Zelte und Boote. Wolfgang und Manfred diskutieren und nehmen ihr Gespräch mit dem Diktiergerät auf.



34B. VOR HILDES HAUSTÜR - ABEND (SPÄTER)

Manfred gibt Wolfgang abends bei Hilde ab. Hilde schaut wütend auf die Uhr. Er und Hilde streiten heftig. Wolfgang schaut den beiden traurig zu. Als Wolfgang und Manfred sich zum Abschied umarmen, steckt Manfred Wolfgang das Diktiergerät heimlich in die Jacke. Wolfgang lächelt glücklich.




35. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - TAG

Das Telefon KLINGELT SCHRILL, reißt Wolfgang aus der Erinnerung und ZURÜCK IN DAS HEUTE.

Eine Zigarette glimmt im Aschenbecher. Wolfgang stoppt das Diktiergerät. Die Hände zittern. Der Anrufbeantworter springt an.

STIMME SUSOK ANRUFBEANTWORTER
Hallo Herr Berkowskie, ich habe ihre Nummer auf dem Display gesehen. Bitte nehmen Sie ab. Es ist dringend. Wir brauchen das Manuskript. Sie hätten es gestern schicken sollen. Bitte melden Sie sich dringend im Verlag! Das ist ihre letzte Chance.

Wolfgang starrt den Anrufbeantworter an. Susok legt auf.

Wolfgang sieht wie das Notebook NICHT startet. Der Ausdruck mit den Korrekturen liegt neben dem Notebook. Mit einem ELEKTRONISCHEN SURREN erlischt der Bildschirm, wird wieder SCHWARZ. Eine CD mit der Aufschrift "Notfall-CD" wird ausgeworfen.

Wolfgang schaut sich alarmiert im Zimmer um, scheint zu hoffen: Alles ist nur ein Albtraum.

WOLFGANG
Fuck!
Wolfgang starrt das Diktiergerät in seiner Hand an. Sein Daumen zittert über dem „Play-Button".





36. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, MIRAS ARBEITSZIMMER - TAG


Computerbildschirm: Ein Kaminfeuer lodert. Mira schaut sich eine interaktive Internetseite eines Kamin-Anbieters an. Sie lächelt, schreibt sich eine Telefonnummer auf mit der Überschrift "PROJEKT: TEEZIMMER MIT KAMIN".



ABBLENDE



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Die antagonistische Kraft formiert sich

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37. INNEN - BAR - TAG

Nobles Ambiente. Im Hintergrund steht ein Spielautomat. Albert Brandt sitzt einem Mann gegenüber, den wir nur von hinten sehen. Albert mischt äußerst geschickt Karten. Dabei fixiert er den fremden Mann. Vor beiden Männern steht eine Tasse Kaffee. Beide Tassen sind unberührt. Albert unterbricht das Kartenmischen, schiebt dem fremden Mann ein Foto von Wolfgang über den Tisch.

Das Foto ist in der Mitte zerrissen, neben Wolfgang war ursprünglich auch Mira zu sehen. Es ist das gleiche Foto, das auch auf Wolfgangs Schreibtisch steht. Der fremde Mann schaut sich das Foto an.

ALBERT
Ich weiß, daß Sie den Mann kennen.

Der fremde Mann ist - Willi Sonemann. Willi mustert Albert.

WILLI
Wie sind Sie auf mich gekommen?

ALBERT
Ich sagte doch, keine Fragen, Herr Sonemann. Ich erwarte äußerste Diskretion.

Albert schiebt Willi einen Umschlag zu. Willi schaut in den Umschlag, zieht seine Stirn kurz in Falten.

WILLI
(Pokerface)
Das ist ein Haufen Geld für ein paar Fotos.

ALBERT
Beweisen Sie, daß man diesem Menschen nicht vertrauen kann. Beweisen Sie es meiner Tochter. Die beiden dürfen nicht heiraten. Das ist ihre Aufgabe.

Willi versucht seine Verblüffung zu kaschieren.

WILLI
Nette Aufgabe.

Willi schaut nachdenklich in die nicht angerührte Kaffeetasse. Dann steht er auf.

WILLI
Danke für den Kaffee.

Willi schaut Albert mit unbewegter Miene ins Gesicht, steckt den Geldumschlag in die Jacke und geht. Albert schaut ihm hinterher, beginnt den Stapel Karten zu mischen. Hinter ihm der Spielautomat, funkelnd, blitzend, Zahlen drehen sich...



ABBLENDE



38. AUßEN - STRAßE VOR HAUS MIRA/WOLFGANG - FRÜHER ABEND

Elizabeth starrt aus ihrem Cabrio heraus zur Straße, sie beobachtet etwas. Ihr Blick ist berechnend. Sie sieht zu einem -

- schwarzen Van (ohne Securitas-Magnet). Willi steigt aus dem Van. Elizabeth und Willi mustern sich. Elizabeths Blick ist eiskalt, sie gibt Willi einen Umschlag. Willi prüft den Inhalt, zieht die Augenbraue hoch.

WILLI
Sind Sie sicher, dass Sie das tun wollen?

ELIZABETH
Ich sagte doch, keine Fragen, Herr Sonemann. Ich erwarte äußerste Diskretion.

Elizabeth gibt ihm einen Schlüssel. Willi mustert Elizabeth intensiv, dann holt er eine Holzkiste aus Elizabeths Wagen. Willi vergewissert sich, dass er unbeobachtet ist und verschwindet mit der Kiste durch die Hecken in den Garten. Elizabeth verfolgt mit eiskalter Miene Willis Aktionen.




39. AUßEN - STRAßE VOR VORSTADTVILLA BRANDT - ABEND

Gepflegte, grüne, großbürgerliche Gegend. Neue Sportwagen, Cabrios, Vans und Geländewagen parken auf der Straße.




40. INNEN - VORSTADTVILLA BRANDT, WOHNZIMMER - ABEND

Elizabeth lehnt gegen eine Kommode, zerreißt süffisant die Hochzeitseinladung von Mira und Wolfgang, nimmt sich dann einen Drink, trinkt.

ALBERT
Was willst Du gegen diese Hochzeit unternehmen?

Albert sitzt auf dem Sofa, fixiert Elizabeth.

ALBERT
Mira ist erwachsen, sie kann tun und lassen was sie will. Wir haben sie so erzogen.

ELIZABETH
Das sagst Du nur, um mich zu ärgern, Albert!

ALBERT
Warum sollte ich das tun?

Elizabeth schaut lüstern zu Albert. Albert grinst. Sie zieht ihr Jäckchen aus. Darunter trägt sie nur ein knappes Hemdchen ohne BH. Sie nähert sich Albert, dreht sich mit dem Rücken zu ihm.

ELIZABETH
Mach' mir den Rock auf!

Albert macht den Rock auf, der Rock fällt zu Boden. Elizabeth trägt Nylonstrümpfe und einen sexy Slip. Sie setzt sich auf seinen Schoß, dreht sich wollüstig zu ihm um, nimmt seine Hand und führt sie zu ihren Brüsten.

ELIZABETH
Und Du? Was willst Du gegen diese Hochzeit unternehmen?

Elizabeths Hand hält dominant Alberts Hand und streichelt damit ihre Brüste.



ABBLENDE



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Irgendetwas stimmt nicht

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41. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - TAG

Der Lederkoffer, geöffnet...

Auf dem Glastisch liegt das Diktiergerät. Wolfgang drückt die Wahlwiederholtaste. Auf dem Display erscheint: "WILLI".




42. AUßEN - STRAßE VOR FIRMA „SECURITAS SONEMANN" - TAG

Ruhige Seitenstraße. Auf einem Schild steht:


SECURITAS SONEMANN




43. INNEN - WILLIS BÜRO, FIRMA "SECURITAS SONEMANN" - TAG

Das HANDY KLINGELT. Büro und Schreibtisch sind aufgeräumt. Zwei Überwachungsmonitore zeigen Bilder von draußen - unter anderem auch ein heruntergekommenes Haus in einem heruntergekommenen Großstadtviertel.

Auf dem Schreibtisch steht ein Fotorahmen. Willi fixiert gedankenversunken das Bild, das wir nicht sehen. Er prüft das Handydisplay, der eingehende Anrufer ist:



„BERKOWSKI JUNIOR"




(IM WECHSELSCHNITT)





44. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - TAG

Das Diktiergerät auf dem Glastisch...

Wolfgang geht nervös im Zimmer umher. Kurz bevor er auflegen will nimmt jemand ab.

WILLI
(ruhige, klare, sonore Stimme)
Hallo Junior! Was ist los? Warum meldest Du Dich erst jetzt? Ich dachte dein Vater sei eine - Herzensangelegenheit. Geht's Dir gut?

WOLFGANG
Ja. Nein.

WILLI
Dann erzähl mal, wo der Schuh drückt. Und dann erzähle ich Dir, was ich herausgefunden habe. Das dürfte Dich interessieren, Junior.

WOLFGANG
Ich... Das... das ist nicht in zwei kurzen Sätzen gesagt.

Wolfgang nimmt das Diktiergerät, hält es verkrampft.

WILLI
Dann versuch's mit längeren Sätzen, Junior.

WOLFGANG
Wann können wir uns treffen?

WILLI
Bald.

WOLFGANG
Hast Du herausgefunden, wo er wohnt?

WILLI
Ich habe ihn wieder verloren.

WOLFGANG
Was heißt das? Weißt Du, wo er wohnt oder nicht?

Wolfgang merkt nicht, dass Mira am Türrahmen steht und mithört. Er starrt auf den Garten - zum Nussbaum, zur Laube.

WILLI
Junior, Dein Vater wurde vor ein paar Tagen aus dem Knast entlassen und ist untergetaucht.

WOLFGANG
Was?! Warum erfahre ich das erst jetzt?

WILLI
Weil Du nicht früher angerufen hast.

Mira lauscht irritiert. Wolfgang spielt nervös mit dem Diktiergerät, seine Hände zittern.

WOLFGANG
Ich...

WILLI
Ich melde mich wieder, sobald ich mehr weiß, vertraue mir, Junior.

Willi legt auf. KLACK!

WOLFGANG
Warte! Ich muss Dir was vorspielen! Fuck!

Wolfgang spürt etwas, dreht sich um, fühlt sich ertappt.

WOLFGANG
Was machst Du hier?

MIRA
War das dein... Kontaktmann?




45. INNEN - BÜRO, SECURITAS FIRMA SONEMANN- TAG

Willi starrt auf das Foto auf seinem Schreibtisch. Er kneift die Augen zusammen, sieht auf den Überwachungsmonitor.



ÜBERWACHUNGSMONITOR: Wir sehen das heruntergekommene Haus in
dem heruntergekommenen Großstadtviertel.


Der Fotorahmen von vorne. Auf dem Foto sind Manfred, Willi und Zacharias in Anzügen zu sehen. Zacharias raucht Zigarre. Es ist das gleiche Foto, das auch Wolfgang aufbewahrt.



ÜBERWACHUNGSMONITOR: Manfred geht, sich immer wieder vorsichtig umschauend, mit einer Plastiktüte in das heruntergekommene Haus.


Es KLINGELT, Willi drückt einen Schalter. Prompt ändert sich das Bild auf einem Überwachungsmonitor.



ÜBERWACHUNGSMONITOR: Willis Hauseingang. ZACHARIAS schiebt einen Behinderten-Rollwagen. In dem Rollwagen sitzt ein KNAPP 10-JÄHRIGES KIND. Zacharias guckt in die Überwachungskamera, raucht Zigarre, bläst Ringe aus.



Willi überlegt, drückt den Knopf für die Sprechanlage.

WILLI
Zacharias. Lange nicht gesehen. Wie geht's?

ZACHARIAS (SPRECHANLAGE)
Lass uns reden!

WILLI
Worüber?

ZACHARIAS (SPRECHANLAGE)
Lass uns reden!

Willi überlegt.

WILLI
Wie geht es deinem Sohn?



ÜBERWACHUNGSMONITOR: Zacharias legt seine Hand auf den Kopf seines behinderten Sohnes. Das Kind grinst, verzieht das Gesicht, blickt in die Überwachungskamera.



ZACHARIAS (SPRECHANLAGE)
Gut. Mach auf!

Willi überlegt.

WILLI
Wenn Du etwas wissen willst, dann knöpf Dir den Berkowski-Sohn vor. Ich weiß nichts! Und jetzt verschwinde!

ZACHARIAS (SPRECHANLAGE)
Mach auf!

Willi überlegt.

WILLI
Verschwinde.

Willi lässt den Knopf für die Sprechanlage los.



ÜBERWACHUNGSMONITOR: Zacharias blickt in die Überwachungskamera, sagt noch etwas, zieht an seiner Zigarre, lässt sie fallen und zertritt sie.



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Mira versucht Wolfgang zur Umkehr zu bewegen - natürlich vergeblich

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46. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - TAG

Angespannte Atmosphäre zwischen Mira und Wolfgang.

MIRA
Du machst dich total fertig. Merkst Du das nicht?

Wolfgang schaut, als kenne er dieses Gespräch in- und auswendig.

WOLFGANG
Willi ist meine einzige Verbindung zu meinem Vater, Mira.

Mira SEUFZT, auch sie scheint die Diskussion schon ewig zu kennen.

WOLFGANG
Willi hilft mir ihn zu finden. Die beiden waren Freunde. Verstehst du das?

MIRA
Ja. Und ganz offensichtlich sind sie es jetzt nicht mehr.

WOLFGANG
Willi kann mich zu meinem Vater führen.

MIRA
Hat er Dir das gesagt?

WOLFGANG
Ja.

MIRA
Soll ich Dir sagen, was ich glaube? Er hat Mitleid mit dir. Das ist alles. Bitte, Wolfgang! Bitte! - Bitte!

Mira schaut mit flehendem Gesicht zu Wolfgang.

MIRA
Du weißt ja noch nicht mal, ob dein Vater überhaupt noch lebt. Oder weißt du das?

Wolfgang schaut intensiv und ratlos zu Mira.



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Vaters Hölle

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47. INNEN - MANFREDS WOHNUNG, WOHNZIMMER - NACHT



... SCHNAUFEN, STÖHNEN,... jemand SCHENKT SICH ETWAS ZU TRINKEN EIN,... JEMAND TRINKT.


Auf einem Fernseher läuft eine TIERDOKUMENTATION... eine Spinnenhöhle,... ein Spinnenmännchen begattet ein Weibchen...

... ein AUFSTÖHNEN... jemand trinkt... jemand LEGT einen METALLGEGENSTAND AUF EINEN TISCH...

... Nach der Begattung frisst das Weibchen das Männchen. Das Wohnzimmer wirkt improvisiert, Regale sind nicht vollständig aufgebaut, Bücher und Hefte stapeln sich an der Wand. Klamotten hängen über Stühle und Regale.

Manfred sitzt auf dem Sofa. Die Plastiktüte, die auf Willis Überwachungskamera zusammen mit Manfred zu sehen war, steht auf dem Tisch. Eine Flasche Schnaps ist in der Tüte. Manfreds Gesicht ist schmerzverzerrt, er trinkt aus einer zweiten Flasche Schnaps, schüttet sich Schnaps auf den Unterarm.

Manfred ist dabei, sich mit einem Skalpell die Zahlencode-Tätowierung 6844542 vom Arm zu schneiden und wegzukratzen. Immer wieder tupft er mit Schnaps die Wunde sauber.

MANFRED
Arghhh!

Ein Teil der Tätowierung ist noch zu sehen, ein paar Zahlen, Hautfetzen und Blut. Zwischendurch checkt Manfred seine Uhr. Das Skalpell setzt wieder an der Haut an, ritzt und schabt.

Auf einem Regal steht ein Blumengesteck mit Trauerflor.

In einer Zimmerecke ist auf der Tapete eine helle, rechteckige Fläche zu sehen. So als ob da vor einiger Zeit ein Möbelstück davor stand.



ABBLENDE



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Erstes Treffen Wolfgang und Willi - und ein paar unbequeme Wahrheiten

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48. INNEN - BAR - ABEND

Wolfgang und Willi sitzen an der Bar. Der Kellner schiebt ein Glas Cola zu Wolfgang und ein riesiges Glas Milch zu Willi.

Wolfgang beobachtet das regungslos. Willi holt aus der Jacke einen Beutel, reißt ihn auf und schüttet braunes Pulver in die Milch, rührt genüsslich mit dem Löffel. Wolfgang fasst sich kurz verdutzt an die Brille. Willi schaut ihn verwundert an, legt den Löffel auf den Tresen, dann stoßen sie an. Willi mustert Wolfgang skeptisch von der Seite, schüttelt den Kopf, trinkt einen Schluck.

WILLI
Berkowski Junior. Du hast Dich ganz schön verändert, bist ganz schön groß geworden, seitdem ich Dich das letzte Mal durch die Gegend kutschiert habe.

WOLFGANG
Was?

Willi lacht herzlich.

WILLI
Ja, das ist lange her, sehr lange her.
(macht Geste)
So groß warst du da. Jetzt siehst Du aus wie dein Vater. Du bewegst dich wie er. Guckst wie er.
(lacht herzlich)
Wenn ich Dich sehe, geht's mir wie den Leuten in den alten Zeitraffer-Filmen.

WOLFGANG
Zeitmaschinen-Filme.

WILLI
Ja, Du kennst dich aus, Junior. Zeitmaschinen-Filme.

Wolfgang fasst sich kurz an die Brille, um den Bügel gerade zu rücken. Willi registriert diese Angewohnheit genau.

WILLI
Und Du hast den gleichen Tic.

WOLFGANG
Was für ein Tic?

Willi fasst sich kurz an eine imaginäre Brille, imitiert damit Wolfgangs Angewohnheit, sich an den Brillenbügel zu fassen. Wolfgang lächelt kurz.

WILLI
Genau wie dein Vater.

WOLFGANG
Hast Du herausgefunden, wo mein Vater wohnt?

Willi mustert Wolfgang intensiv. Wolfgang trinkt einen Schluck Cola,...

WILLI
Ich stelle mir neuerdings die Frage, warum willst Du ihn überhaupt finden?

... verschluckt sich. Willi mustert Wolfgang.

WILLI
Warum willst Du ihn finden, Junior? Gib mir eine ehrliche Antwort!

Wolfgang runzelt verdutzt die Stirn.

WOLFGANG
Was ist denn das für eine bescheuerte Frage?

WILLI
Junior, Du hast dein ganzes Leben vor Dir. Dein Vater hat es hinter sich, er hat alles vermasselt. Er hat alles falsch gemacht, was man falsch machen kann...

Wolfgang hört gebannt zu.

WILLI
... Er hatte eine tolle Frau, die er betrogen hat. Er hatte ein tolles Kind, um das er sich nicht gekümmert hat. Er hatte die besten Freunde, die man sich vorstellen kann und er hat sie alle ausgesaugt, bis auf den letzten Tropfen. Ich hatte ihm vertraut. Weißt Du was ich meine, Junior? Weißt Du was Vertrauen bedeutet?

Wolfgang hört befremdet zu. Willi trinkt einen großen Schluck Kakao, wischt sich mit dem Ärmel den Milchbart ab, RÜLPST.

WILLI
Noch hast du die Wahl, Junior. Diese Nummer mit deinem Vater führt dich weit weg, - weit, weit weg. Du hast keine Ahnung, mit wem Du es zu tun kriegst.

Willi nimmt das leere Kakaotütchen und spielt damit. Wolfgang hört gebannt zu, verzieht das Gesicht.

WOLFGANG
Bullshit!

Willi runzelt beleidigt die Stirn - er fixiert mitleidig Wolfgang. Willi legt das Kakaotütchen wieder auf den Tresen.



(TO BE CONT'D)




49. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - ABEND

Mira legt eine Hochzeits-Einladungskarte auf Wolfgangs Schreibtisch. Sie schreibt auf einen PostIt-Zettel "FÜR VERLAG", registriert dabei, dass ein Anruf auf dem Anrufbeantworter ist.

Mira sieht das Foto mit Zacharias, Manfred und Willi (mit Anzug und Zigarre) unter einem Stapel Papiere. Sie schaut das Foto intensiv an, dreht es intuitiv um und entdeckt Willis Handy-Nummer.

Mira nimmt das Telefon und drückt die Wahlwiederhol-Taste. Die letzten 10 Nummern, die gewählt wurden, sind die gleichen, die auch auf der Rückseite des Fotos steht. Mira wählt die Nummer, wartet ab, beobachtet das blinkende Lämpchen auf dem Anrufbeantworter...




50. INNEN - BAR - ABEND

Willis Handy KLINGELT.

WILLI
Was machst du gerade so? Schreibst Du noch?

WOLFGANG
Ja.

Willi nimmt das Handy und schaut auf das Display. Auf dem Display steht:



„JUNIOR (ZUHAUSE)"



Willi runzelt die Stirn, schaut zu Wolfgang, lässt sich aber nicht anmerken, dass gerade jemand aus Wolfgangs Haus seine Telefonnummer gefunden und gewählt hat.

WILLI
Du schreibst. Hmhm. Ist das ein... Beruf von dem man leben kann?

WOLFGANG
Ja.

WILLI
Und was schreibst du so, zur Zeit?

WOLFGANG
Romane.

Willi zieht bewundernd die Augenbrauen hoch. Es hört auf zu KLINGELN.

WILLI
Mmm, Romane. Das ist ja ein Ding. Ich kann also in die Buchhandlung gehen und mir einen „Berkowskie" kaufen?

Wolfgang stutzt, lächelt.

WOLFGANG
Ich habe NICHT gesagt, dass du einen in der Buchhandlung kaufen kannst, aktuell.

WILLI
Wo denn sonst?

WOLFGANG
(druckst)
Na ja, ich... ich arbeite...

WILLI
Kann ich oder kann ich nicht?

WOLFGANG
Na ja, zur Zeit kannst du EINEN „Ratgeber" von mir kaufen. Der zweite ist in Arbeit.

WILLI
„Ratgeber"? Was ist denn das, Junior? Willst du mich auf den Arm nehmen? Du hast doch „Romane" gesagt. Hast du Dir etwa das Lügen angewöhnt?

Wolfgang ist irritiert. Die Stimmung kippt.

WOLFGANG
Nein! Also gut, ich schreibe EINEN Roman. Der ist aber noch nicht veröffentlicht. Das ist ganz normal. Das dauert.

WILLI
Du hast aber „Roman-e" gesagt. Und jetzt ist es nur ein Roman. Und der ist noch nicht einmal fertig. Was soll ich denn davon halten? Regel Nummer eins, wir bleiben bei der Wahrheit, auch wenn sie grausam ist. Wie soll ich Dir sonst vertrauen?

Willi trinkt einen Schluck Kakao.

WOLFGANG
Hey, kein Stress!

WILLI
Ich mache keinen Stress, Junior. Du machst Stress. Ich kenne deinen Vater. Der hat auch so eine Scheiße gefaselt, den ganzen lieben langen Tag.

Wolfgang fixiert Willi, ist sprachlos.

WOLFGANG
Du hasst meinen Vater. Und Du weiß, wo er ist.

WILLI
Nein, weiß ich nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich ihm jetzt einen schönen Besuch mit Dir abstatten.

WOLFGANG
Warum war mein Vater im... Knast?

Willi lacht, mustert Wolfgang, trinkt Kakao.

WILLI
Du hast wirklich keine Ahnung, Junior. Das überrascht mich.

Wolfgang trinkt die Cola leer, fixiert Willi.

Wieder KLINGELT Willis Handy. Willi sieht auf das Display:



„JUNIOR (ZUHAUSE)"



Willi Lässt sich nichts anmerken, trinkt den Kakao leer, schaut Wolfgang dabei intensiv an.

WOLFGANG
Vielleicht.

Wolfgang holt das Diktiergerät seines Vaters aus der Tasche.

WOLFGANG
Kennst Du das Ding?

Willi liest auf dem Display seines Handys:



SIE HABEN EINE NEUE NACHRICHT VON „JUNIOR (ZUHAUSE)".



Willi fixiert staunend das Diktiergerät, will das
Diktiergerät nehmen, aber Wolfgang zieht die Hand zurück.

WOLFGANG
Nein! Erzähl mir erst, warum mein Vater in den Knast musste.

Wolfgangs Augen...



ÜBERBLENDE




51. INNEN/AUßEN - AUTO - TAG (FLASHBACK)

Wolfgang (als Achtjähriger) steigt in einen Wagen ein. Sein Vater hält die Tür auf. Am Steuer sitzt Willi, der fast genauso aussieht wie heute. Willi und Manfred schauen sich intensiv an, ohne dass Wolfgang es mitbekommt.Wolfgang freut sich riesig, reißt die Augen erwartungsvoll auf, fasst sich kurz an die Brille. Willi fährt. Manfred sitzt auf dem Beifahrersitz, Wolfgang hinten. Die Musik ist irre laut aufgedreht. Wolfgang wippt mit dem Oberkörper zum Rhythmus. Manfred beobachtet ihn, lächelt.





52. AUßEN - ZOO - TAG (FLASHBACK)

Wolfgang und Manfred reiten auf einem Elefanten. Der Wind weht kalt. Manfred zieht seine Lederjacke aus, legt sie fürsorglich um den frierenden Jungen. Wolfgang kuschelt sich in die Jacke, sieht seinen Vater dankbar und hoffnungsvoll an.



ABBLENDE




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Jetzt kommen Waffen ins Spiel

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53. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, WOLFGANGS ARBEITSZIMMER - NACHT



ZURÜCK IM HEUTE.



Wolfgang (mit Pflaster am Kopf) zieht die alte Lederjacke seines Vaters aus dem Lederkoffer heraus, schüttelt sie, riecht an ihr.




54. INNEN - VORSTADTVILLA BRANDT, ALBERTS ARBEITSZIMMER - NACHT

Gediegene Ausstattung, massiver Sekretär. Albert sitzt in einem Ledersessel und hört in den Telefonhörer, während er gleichzeitig per Internet in einem Online-Casino "Poker" spielt. Er tätigt einen Wetteinsatz, tippt eine Kreditkartennummer von einer Kreditkarte ab.

ALBERT
(...) Was? (...) Das ist... verrückt. (...) Sie machen einen guten Job. (...) Beobachten Sie ihn weiter, ich will etwas gegen ihn in der Hand haben. Etwas, das auch meine Tochter überzeugt.

Albert legt nachdenklich auf, grinst in sich hinein, geht zu einem Regal,...

... auf dem Schreibtisch liegt die Kreditkarte. Sie gehört Elizabeth.

Albert zieht eine Schublade auf, nimmt ein paar Hefte heraus. Hinter den Heften kommt eine Pistole zum Vorschein. Albert sieht eiskalt die Pistole an.




55. INNEN - SECURITAS SONEMANN; WILLIS BÜRO - NACHT

Willi zieht eine Schublade auf, blickt auf einen Revolver und eine Munitions-Schachtel. Er nimmt die Waffe heraus, dreht den Revolver, beobachtet die sich drehenden Kugeln. Eiskalter, berechnender Blick...



ABBLENDE



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Der antagonistische Köder - oder "Die Störung des Paradieses"

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56. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, KÜCHE, FLUR - MORGEN

Mira kniet vor einem Unterschrank, räumt Töpfe und Geschirr ein. In der Küche stehen immer noch ein paar Umzugskartons. Wolfgang blättert durch einen Stapel Briefumschläge.

MIRA
Haben wir jemanden vergessen?

Als Mira Wolfgang mit der Lederjacke sieht, staunt sie kurz, räumt weiter ein, schaut noch einmal ungläubig zu Wolfgang.

WOLFGANG
Ne.

Wolfgang hält den Umschlag mit der Adresse "Susok" etwas länger als die anderen in der Hand.

MIRA
Bringst Du sie weg?

Es KLINGELT an der Haustür. Mira und Wolfgang schauen sich an.

WOLFGANG
Ich geh.

Wolfgang geht in den Flur zur Haustür. Als er kurz durch das Fenster schaut erkennt er - seine Mutter, HILDEGARD BERKOWSKIE. Wolfgang schluckt nervös, - ungläubig.



(TO BE CONT'D)




57. AUßEN - VOR HAUS MIRA/WOLFGANG - MORGEN



POV VIDEOKAMERA: ROTES RECORD-SYMBOL. Hildegard steht vor der Tür. Sie schaut sich um, klingelt hektisch, ungeduldig.




58. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, KÜCHE - MORGEN

WOLFGANG
Meine Mutter!

MIRA
Na und?! Hast du ihr aufgemacht?

WOLFGANG
Nein. Ich kann nicht... Bitte.

Wolfgang schaut Mira fast flehend an. Es KLINGELT Sturm.

MIRA
Nein!

WOLFGANG
Komm, irgendwas, irgendwas fällt Dir ein...

MIRA
Nein, Wolfgang. Das mache ich nicht mehr.

WOLFGANG
Bitte. Sag ihr, dass ich...

MIRA
Wolfgang, du lässt mich jetzt nicht alleine mit dieser Frau?!

Mira schaut flehend - und wütend zu Wolfgang.




59. AUßEN - HAUS MIRA/WOLFGANG - MORGEN


POV VIDEOKAMERA: ROTES RECORD-SYMBOL. Hildegard und Mira. Das maskenhafte Gesicht von Hildegard. Die Begegnung der
beiden ist voller Anspannung.



MIRA
Hallo Frau Berkowski. Wolfgang ist nicht da, ... und,... na ja... ich... wie Sie sich vorstellen können, ist hier eine Menge...

Hildegard geht an Mira vorbei ins Haus. Mira schaut ihr gepisst hinterher.

MIRA
... zu tun.




60. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, FLUR, KÜCHE - MORGEN

Hildegard steht an der Tür zur Küche, sieht in die Küche.

HILDEGARD
(gekünstelt staunend)
Das ist aber groß. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. ... Diese Küche,... ein Traum. Das hat aber eine Menge Geld gekostet.

Mira rollt die Augen, geht in die Küche, vorbei an Hilde. Mira räumt demonstrativ ein. Hildegard betritt die Küche, staunt.

HILDEGARD
Von so einer Küche hab ich immer geträumt. Haben Sie schon alles ausprobiert? ... Nur ein bisschen weiß, oder? Ich hätte mich für eine andere Farbe entschieden. Aber das müssen Sie ja wissen. Sie sind ja alt genug... Haben Sie auch so ein, ein,... Rührdings?

Hildegard gestikuliert, hält einen imaginären elektrischen Stabmixer mit beiden Händen und imitiert eine Mix-Bewegung.

HILDEGARD
Wissen Sie was ich meine? Haben Sie so was auch? So was brauchen Sie.

MIRA
Frau Berkowskie... ich...

Hildegard nimmt ein Glas, hält es gegen das Licht, prüfender Blick, stellt es wieder hin.

HILDEGARD
(vertraulicher Ton)
Ah, mein Wolfgang... Wolfgang war ein schwieriges Kind. Von Anfang an...

Mira rollt die Augen, ohne dass Hildegard das sieht.

HILDEGARD
... hat er nur Ärger gemacht...

Wolfgang lauscht - ungesehen von Mira und Hilde - von der Tür seines Arbeitszimmers aus.

HILDEGARD
Ich hoffe für Sie, dass Ihr Kind ein Wunschkind ist. ... Ist er eigentlich immer weg? Treibt er sich herum? Sie können es mir ruhig sagen. Treibt er sich herum? Kommt und geht, wann es ihm passt? Stimmt's?! Wie sein Vater!

Mira versucht Hildegards Gequatsche zu ignorieren, räumt mechanisch weiter ein.

HILDEGARD
Von Anfang an hat er nur Ärger gemacht. Geschrieen hat er, jede Nacht. Er wollte nichts trinken und später auch nichts essen. Können Sie sich vorstellen wie schrecklich das war? Für mich als allein stehende Frau? Ich konnte niemandem vertrauen.

Wolfgang - von der Tür seines Arbeitszimmers - ballt verzweifelt die Faust. Hilfloses Gesicht...

HILDEGARD (O.S.)
Sein Vater ist nach der Geburt spurlos verschwunden. Ein Jahr später hat er sich gemeldet. Er wollte angeblich sein Kind sehen. Aber ich sage Ihnen eines, in Wirklichkeit wollte er mein Geld. Es ging immer nur um's Geld!

Mira zittert, sie kocht innerlich, ein Teller fällt ihr aus der Hand, der KLIRREND zu Bruch geht.

MIRA
Gehen Sie!

Wolfgang lauscht an der Tür, hilflos, den Tränen nahe...

HILDEGARD (O.S.)
Sie sind mich gleich los. Ich wollte nur noch eines sagen. Das können Sie dann Wolfgang ausrichten. Ich glaube, es wird ihn sehr interessieren...

Wolfgang hört wie hypnotisiert zu...

HILDEGARD (O.S.)
Richten Sie ihm aus, dass sein Großvater gestorben ist. Ich werde nicht auf die Beerdigung gehen. Aber ich weiß, wer dort sein wird.

Hildegard legt das vergilbte Notizbuch auf die Küchentheke.

HILDEGARD
(verächtlich)
Und geben Sie ihm das hier.



ABBLENDE



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Was steht in dem Notizbuch?

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61. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, SCHLAFZIMMER - NACHT


DUMPFES KLINGELN...


Der Mond scheint blauweiß durch die Gardinen. Wolfgang liest in dem Notizbuch, hört aber auch das KLINGELN...

Neben Wolfgang liegt Mira, schlafend.

Wolfgang steht leise auf, legt das Notizbuch leise auf den Nachtschrank und schleicht aus dem Schlafzimmer.

Mira macht die Augen auf. Sie hat sich nur schlafend gestellt. Mira fixiert das Notizbuch auf dem Nachtschrank, traurig, nachdenklich.


DUMPFES KLINGELN...




62. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, ARBEITSZIMMER WOLFGANG - NACHT

Wolfgang mit Telefonhörer in der Hand, flüstert...

WOLFGANG
Weißt du wie spät es ist? ... Was?

Wolfgang geht nervös zum Fenster, schaut suchend hinaus, versucht etwas zu erkennen.

WOLFGANG
Was willst du jetzt hier?

Wolfgang sieht Willi im Garten neben der Laube stehen, Willi winkt Wolfgang mit dem Handy zu.

WILLI (HANDY)
Junior, warum hast du mir nicht gesagt, dass sein Vater gestorben ist?

WOLFGANG
Das weiß ich auch erst seit heute!

Eine Wolke schiebt sich vor den Mond. Willi verschwindet im Schatten.

WILLI (HANDY)
Wir müssen unseren schönen Plan... etwas... verändern.

Wolfgang starrt angestrengt nach unten. In der Dunkelheit ist kaum etwas zu sehen, bis der Mond wieder hinter einer Wolke auftaucht. Willi winkt Wolfgang zu. Das Mondlicht lässt Willi surreal und gespenstisch erscheinen.

WOLFGANG
Das geht jetzt nicht!




63. INNEN - LAUBE - NACHT

Eine Fackel flackert und gibt gespenstisches Licht. Willi sitzt in einer Ecke der Laube auf einem Gartensessel. Neben ihm steht ein Tischchen und darauf ein Glas Milch. Willi fummelt ein Tütchen aus der Jacke und schüttet wieder braunes Pulver in die Milch. Wolfgang sucht etwas in der Laube.

WILLI
Das ist der beste Kakao, den es gibt und ich habe in meinem Leben schon viele Kakaosorten probiert. Willst du jetzt mal probieren?

Wolfgang schaut verdutzt, schüttelt den Kopf.

WOLFGANG
Nein.

WILLI
Der ist aber wirklich sehr gut, Junior.

Wolfgang entdeckt hinter einem Regal eine Steckdose. Er steckt den Stecker einer Baulampe in die Steckdose. Sofort erstrahlt die Laube in grellem Licht. Willi und Wolfgang halten sich die Augen zu. Wolfgang dreht die Baulampe zur Wand, stellt sie in eine Ecke, um das Licht zu dämmen.

Wir sehen in einem Regal ein großes, schwarzes Deko-Netz.

WOLFGANG
Nein. Wie gehen wir jetzt vor?

Willi trinkt den Kakao in einem Zug aus, lässt dabei Wolfgang nicht aus den Augen. Dann holt Willi ein Büchlein aus der Tasche und legt es auf den Tisch. Als Wolfgang das Büchlein sieht, ist er überrascht.

WILLI
Ich wollte mal einen „Berkowski" lesen.

Das Buch ist ein Ratgeber-Buch mit dem Titel:


„WIE DER VATER DIE ERSTEN DREI JAHRE SEINES KINDES PRÄGT"



WOLFGANG
Du bist doch nicht deswegen gekommen?

WILLI
Das nenne ich Ironie. Wie lange schreibt man denn an so was?

WOLFGANG
Ein Jahr. Ungefähr.

WILLI
Ein Jahr, hmhm. - Weißt du schon wann die Beerdigung ist?

WOLFGANG
Nein. Was ist dein Plan?

WILLI
Auf der Beerdigung schnappen wir uns deinen Vater.

Willi sieht beschwörend zu Wolfgang.

WOLFGANG
Warum bist Du Dir so sicher, daß er kommt? Meine Mutter glaubt das auch.

WILLI
Weil er seinen Vater geliebt hat.

Wolfgang stutzt, nickt dann verstehend. Willi sieht das Diktiergerät auf dem Tisch.

WILLI
Und willst Du es mir jetzt nicht endlich vorspielen? Der Zeitpunkt ist gut.

Wolfgang sieht zum Diktiergerät, mustert Willi.

WOLFGANG
Das nächste Mal. Ich bin zu müde.

Willi nickt verständnisvoll, lässt dann seinen Blick durch die Laube schweifen.

WILLI
Gut. Noch etwas Junior, warum machst Du denn nicht das hier zu deinem Büro? Hier kannst Du ungestört arbeiten, wenn Du mich fragst. Wolltest Du nicht einen Roman schreiben? Hier hast Du Ruhe. Hier kannst Du über alles nachdenken, auch über deinen Vater.

Wolfgang fasst sich verblüfft an die Brille, schaut sich unsicher die Laube an. Willi beobachtet Wolfgang, grinst.





64. INNEN - HAUS MIRA/WOLFGANG, SCHLAFZIMMER - NACHT


Durch das Fenster ist die Laube zu sehen. Aus allen Ritzen und durch die Fenster strahlt grelles Licht. Mira blättert neugierig durch das Notizbuch, stößt beim Blättern auf eine auffällige Zahlenkombination: 6844542.

Die Zahlen sind frisch geschrieben, im Gegensatz zu allen anderen Notizen, Zeichnungen, Skizzen von Booten und Bootsgrundrissen. Wir erkennen die Zahlenkombination von Manfreds Tätowierung
her wieder.



ABBLENDE




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